Zu Vortrag „Wem gehört Bonhoeffer? Zum Widerstand – über Vereinnahmungsversuche
und einen zeitgemäßen Umgang“ mit Arnd Henze luden am 13. März 2023 nach Weiden das EBW Oberpfalz, das Evangelische Bildungswerk Oberfranken-Mitte e.V., der Freundeskreis Evangelische Akademie Tutzing und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ein.
„Möglicherweise wäre Trump ohne Bonhoeffer nicht Präsident geworden“. Diese von ihm selbst als „überspitzt“ bezeichnete These formulierte WDR-Redakteur und Theologe Arnd Henze in seinem Vortrag gleich am Beginn seiner Ausführungen. Eingeladen dazu hatte das Evangelischen Bildungswerk, die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und der Freundeskreis Weiden der Evangelischen Akademie Tutzing. Die Zuhörer bekamen am Abend ein rhetorisches Feuerwerk eines journalistischen Profis zu hören.
Mit historischen Fakten begründete Henze, warum Bonhoeffer für Trump eine wichtige Rolle gespielt habe. Vor allem sei der NS-Widerstandskämpfer als „Zeuge des Kulturkampfes in den USA“ missbraucht worden. Seit Jahrzehnten kämpfen die sogenannten Evangelikalen in den USA gegen eine Liberalisierung in der Gesellschaft und sie bezogen sich im US-Wahlkampf 2016 auf einzelne Zitate von Bonhoeffer. Eine wichtige Rolle spielte dabei laut Henze auch die Bonhoeffer-Biographie des Autors Eric Metaxas. So wie Bonhoeffer gegen „das Böse“ Widerstand geleistet habe müsse auch der Kampf gegen Abtreibung und andere liberale gesellschaftliche Normen geführt werden. Laut Henze ist im US-Wahlkampf ein „Bonhoeffer-Moment“ verbreitet worden. Damit wird auch der Kampf gegen Judenvernichtung mit dem Kampf gegen Abtreibung gleichgesetzt. Obama und Hillary Clinton sind Hassfiguren und wurden sogar mit Hitler-Deutschland gleichgesetzt. Trump versprach „wir erfüllen eure Wunschliste“, sodass laut Henze 75 Prozent der evangelikalen Wählerschaft tatsächlich ihn gewählt hätten. Und bei den knappen Mehrheiten in den sogenannten Swing-Staaten war die Mobilisierung für Trump wohl ausschlaggebend. Tatsächlich habe Trump später auch „geliefert“, wie unter anderem an der Ernennung erzkonservativer Richter abzulesen ist. Folge war, dass Trump für Bonhoeffer eine Gedenktafel mit seiner Unterschrift in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg habe installieren lassen. Das Bündnis von Trump mit den Evangelikalen spielt laut Henze auch bei den Verschwörungsideologen und beim Sturm auf das Kapitol eine Rolle und hält bis heute noch an.
Deshalb fragte Henze dann im Vortrag „wie konnte es passieren, dass Bonhoeffer als Figur des Kulturkampfes verwendet wird?“. Er gab darauf eine ausführliche Antwort und meinte „wir sind daran selbst schuld, denn Bonhoeffer wurde beliebig gemacht“. Henze sprach von einem „Prozess hin zu einem zum Wohlfühl-Bonhoeffer“ bei dem dieser zum „Säulenheiligen“ mit Kalendersprüchen („Von guten Mächten wunderbar geborgen“) gemacht worden sei. In Wirklichkeit sei der Widerstandskämpfer „immer sperrig geblieben“ sagte Henze. Auch sei dieser „niemals fertig gewesen“ und hätte sich weiterentwickelt und immer „Theologie auf Realität angewandt und nicht umgekehrt“. Aus zeitbezogenen Zitaten dürfe keine allgemeine Wahrheit gemacht werden. Und dann zog Henze weitere Parallelen zum Missbrauch von Bonhoeffer, auch in Deutschland und verwies auf Bonhoeffer-Zitate in AFD-nahen Beiträgen in den sozialen Netzwerken. Außerdem würden auch andere historische und aktuelle Geschehnisse von rechtsradikalen, Querdenkern, Reichsbürgern und Verschwörungsideologen verfälscht für deren Zwecke verwendet. Beispiele seien das Tragen des gelben Sterns, Sätze wie „ich fühle mich wie Sophie Scholl“ oder die vermeintliche Corona- und Merkel-Diktatur, gegen die man sich wie gegen die Hitler-Diktatur widersetzen müsse. Für Henze ist es „ein Gebräu aus vielen Facetten“. Rechtsextreme dürften sich nicht auf die bekennende Kirche berufen und die friedliche Revolution in der DDR für sich vereinnahmen. Während in der Gesellschaft um den Begriff Widerstand „ein Vakuum bestehe, darf er in der Querdenkerszene frei verwendet werden“. Schließlich gehe es auch um die Machtfrage „wem gehört der öffentliche Raum?“ Dies sei auch eine Herausforderung für die Kirchen.
Text und Bild: Siegfried Bühner