Mit Demenz richtig umgehen
Einen ganzen Tag lang ging es ausschließlich um das Thema Demenz. Zur Themenveranstaltung „Nicht vergessen! – Gemeinsam sorgen für Menschen mit Demenz“ hatte die Evangelische Akademie Tutzing und das Evangelische Bildungswerk Oberpfalz im Januar 2024 ins Martin-Schalling-Haus in Weiden eingeladen.
Vom „Phänomen Demenz“ bei dem „Personalität und Identität verschwinden“ sprach gleich zu Beginn seines Referats der Ethik- und Anthropologie-Professor Arne Manzeschke. Damit kennzeichnete er die Ausgangslage für Gesellschaft und Angehörige im Umgang mit den immer weiter wachsenden Zahlen von Demenzkranken.
Manzeschke und Stadtdekanin i.R. Barbara Kittelberger waren die Hauptreferenten der ganztägigen Veranstaltung über das Thema Demenz. In beiden Vorträgen ging es zunächst um Charakterisierung und Bewertung dieser Krankheit, dann aber vor allem um Handlungsempfehlungen und Konsequenzen.
Dass es bei Demenzkranken zu einer „tiefgreifenden Änderung des Gefühlslebens“ kommt erläuterte Seelsorgerin und Therapeutin Kittelberger. Und sie beschrieb die Gefühlswelt der betroffenen Kranken. „Sie schämen sich, wenn Namen nicht mehr da sind und wenn man Dinge nicht mehr mitteilen kann“. Angst und Verzweiflung äußerten sich oft in gefühlten Pflichten „unbedingt etwas erledigen zu müssen“. Dazu kämen auch Schuldgefühle und manchmal Aggressionen, möglicherweise Unruhe und Bewegungsdrang.
Weil „Menschsein bedeute, Wünsche und Ziele haben zu können“ müssten Demenzkranke damit leben „zu wollen, aber nicht zu können“ beschrieb Manzeschke die Situation der Kranken. Regressiv, also rückläufig, verliefen bei ihnen Kognition, Emotion, Motorik und Sensorik. Und Manzeschke fragte „wie gehen wir damit um, wenn sich Beziehungen und Wahrnehmung des anderen verändern?“. Medizinische Einstufungen seien hilfreich, „aber für das konkrete Zusammenleben brauchen wir etwas anderes“. Dazu empfiehlt er „die Würde des anderen zu respektieren und auch für den Willen des anderen Respekt zu haben“. Und manchmal müsse es auch zu einem Rollentausch, zum Beispiel Mutter-Tochter kommen. Relativierend stellte Manzeschke fest „vielleicht zeigt sich hier auch die andere Seite unseres Menschseins“.
Für Kittelberger muss handlungsbestimmend „der Respekt vor einer Person sein, die auch ihre einmalige Würde hat“. Und sie empfiehlt „in die Welt des gegenüber einzutauchen und die eigene Geschichte hintan zu stellen“. Schließlich werde „das Herz nicht dement“. Aber sie räumt ein „das kostet viel Kraft und mache auch demütig“. Hilfreich sei, dass sich Demenzkranke oft an Vertrautes erinnern können. „Das Vaterunser können alle mitsprechen“.
Mit Blick auf die Angehörigen bedauert Kittelberger, dass es oft viel zu lange dauere, bis diese sich Hilfe holten und deshalb eine emotionale Überforderung möglich sei. „Angehörige brauchen Begegnungen auf Augenhöhe“, schließlich sei die Betreuung von Demenzkranken häufig mit einem Verlust an sozialen Kontakten verbunden.
Auch über den Umgang mit Demenzkranken aus ethischer Sicht sprach Wissenschaftler Manzeschke. Dabei ging es ihm vor allem um den vielschichtigen Begriff der Ausübung von Verantwortung und deren Dimensionen. Theologische und christliche Überlegungen könnten ebenso eine Rolle spielen wie Normen, zum Beispiel die Gerechtigkeit. Auch an eine „demenzfreundliche Begleitung der Gemeindemitglieder“ könnten Kirchengemeinden denken, um Angehörige zu entlasten. Der Umgang mit Demenzkranken würde erschwert „wenn Zielsetzung und Selbstbestimmung der Kranken nicht mehr erkennbar sind“. Und die Antwort auf die Frage der Betreuungsperson „was wäre mein Wille?“ könne nicht immer auf
andere übertragen werden. Außerdem gelte hier auch „eine Regel passt nicht zu allen Tageszeiten“. Erinnert wurde auch an den Philosophen Levinas. Dieser schrieb „wir sind für Menschen verantwortlich, die nicht mehr sagen können, was sie wollen“.
Als Hilfsmittel für „An- und Zugehörige“ von Demenzkranken stellte Pfarrer Michael Thoma die neu entwickelte App „DemenzGuide“ vor. Sie kann aus den bekannten App-Stores heruntergeladen werden. Praxisbeispiele von regionalen Betreuungsprojekten für Demenzkranken standen ebenfalls auf dem Programm. Vorgestellt wurden eine Angehörigengruppe im Netzwerk LEBENplus in Krummenaab, das Projekt „Sportpate“des Vereins SEGA e. V. Sulzbach-Rosenberg und die kommunale Wohnberatung, speziell für Menschen mit Demenz, des Landkreises Tirschenreuth.
Grußworte sprachen Dekan Thomas Guba sowie Bettina Hahn und Dr. Ehrenfried Lachmann in Vertretung der regionalen Veranstalter. Moderator der Tagung war Studienleiter Dr. Hendrik Meyer-Magister.
Quelle: Siegfried Bühner
Bericht OTV:
https://www.otv.de/amp/mediathek/video/veranstaltungsreihe-zum-thema-demenz-startet/